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Style II – Rolf Becker

01Kartoninhalt Rolf Becker - Style II02Kopf Rolf Becker - Style II03Faerbetest Rolf Becker - Style II04Beizen Rolf Becker - Style II05Korpus Rolf Becker - Style II06Kopf Rolf Becker - Style II07Hals Rolf Becker - Style II08Ergebnis Rolf Becker - Style II09Vergleich Rolf Becker - Style II

Die blaue Breithalstelegitarre

Am Ende einer langen Suche nach einer E-Gitarre mit breitem Hals anstelle der üblichen 42mm Sattelbreite bin auf einen Bausatz einer 12-saitigen Telenachbaugitarre bei ML-Factory gestoßen. Der Sattel dieser Gitarre hat eine Breite von 47,5mm, gerade einen halben Millimeter unter dem Traummaß von 48mm. Das war’s dann doch endlich! Allerdings mit der Notwendigkeit, aus zwölf Saiten sechs zu machen. Mangels anderer Alternativen und weil ich mittlerweile Lust darauf bekommen hatte, einmal eine Bausatzgitarre zu bauen, wurde der Bausatz in froher Erwartung erworben. Er kam dann auch recht schnell und zuerst wurden alle Teile aus dem Karton begutachtet. Alles machte einen zufriedenstellenden Eindruck, alle schwierigen Arbeiten waren erledigt und die Sache schien sich im Wesentlichen auf die Oberflächengestaltung, die Verdrahtung und die Endmontage zu beschränken.

Zuerst wurde aber der 12-Saiten-Kopf auf 6 Saiten reduziert. Über Formen lässt sich bekanntlich trefflich streiten, ich gebe aber ehrlich zu, dass man das auch geschickter machen kann. Leider war mir aber zu dem Zeitpunkt die rettende Idee einer 4-2-Lösung anstelle der 3-3-Lösung für die Saitenmechaniken noch nicht eingefallen.

Anschließend kam ein neuer Sattel aus Knochen in den dafür vorgesehenen Schlitz und wurde für die Saiten entsprechend bearbeitet. Ich nehme dazu Schlüsselfeilen, Sägeblätter für Pucksägen und Laubsägeblätter, einen Satz spezieller Sattelfeilen habe ich nicht.

Am Steg wurde ein kleiner Aluwinkel angebracht, der dafür sorgt, dass die Saitenreiter so weit verschoben werden, bis die verbleibenden sechs Saiten richtig den Hals entlang laufen. Diese Verschiebung beträgt ja nur die Hälfte des Abstandes zwischen zwei Saiten eines Saitenpaares bei der zwölfsaitigen Gitarre. Alternativ kann man auch den gesamten Steg neu befestigen, man muss dann aber die bestehenden Bohrlöcher mit einem eingeklebten Zahnstocher oder einem Schaschlikspieß (je nach Durchmesser) verschließen und die Löcher für die Schrauben neu bohren. Da dann aber die Position der Bohrungen durch den Korpus nicht mehr ganz stimmt, habe ich mich dagegen entschieden.

Es war von Anfang an klar, dass ich mir eine Tophochglanzlackierung nicht zutrauen würde, also musste eine Alternative her. Das Holz zu beizen und dann mit seidenmattem Acryllack zu versiegeln schien eher machbar. Zur Sicherheit habe ich allerdings erst mal ein Fichtenregalbrett auf Originalgröße gesägt und an diesem eine Probelackierung durchgeführt. Die Planung sah vor, eine Art gemuschelten schwarz-holzartigen Effekt hinzubekommen. Ich habe dazu das Holz zuerst gewässert, damit sich nicht gleich alles mit schwarzer Beize vollsaugt. Dann wurde ein Schwämmchen in die angemachte Beize getaucht und dann auf dem Brett hin- und hergerieben. Oh Wunder, das ursprüngliche Schwarz zeigte sich durch die starke Verdünnung in kräftigem Blau! So war das natürlich nicht gedacht, aber nach anfänglicher Verblüffung gefiel mir die Sache immer mehr. Blaue Gitarren sind ja nicht gerade sooo üblich, warum also nicht mal etwas selteneres versuchen. Kurzerhand wurden der Gitarrenkorpus und der Hals nach einem Feinschliff gewässert und mit dem Farbschwamm abgerieben. Das Holz sah sofort viel lebhafter gefärbt aus als das eher gleichmäßige Regalbrettmuster. Was sich auch zeigte, war der Umstand, dass sich Stirnholz deutlich intensiver blau färbte als längs gemasertes Holz. Wobei sich bei dieser Maserrichtung die weichen, saugfähigen Anteile stärker blau färben als die harten Holzanteile. So kommt insgesamt eine Lebendigkeit der Färbung zustande, die man geplant niemals so hinbekommen würde. Am Griffbrett trat der Effekt auf, dass die Beize unter die Bundstäbe zog und von da aus in Richtung der Maserung weiter wanderte, was von außen gut zu sehen ist. Als Abschluss erfolgte dann die schon erwähnte seidenmatte Klarlackierung der Oberflächen.

Beflügelt vom erzielten Ergebnis ging es dann an die Elektrik. Das Elektrofach und die Tonabnehmertaschen wurden mit dem Kohlefaserlack gestrichen. Die extra bestellten Wilkinson-Tonabnehmer wurden montiert, anschließend alles verdrahtet. Dann kam der große Moment des ersten Anschließens an den Verstärker. Aber, was war das? Ein kläglicher Sound mit niedrigem Pegel, aber deutlichem Brummen. Also das Elektrofach wieder auf und alles gemessen, was uns (ein Bastelkumpel war mit guten Ratschlägen dabei) einfiel, aber geändert oder geklärt hatte sich dadurch nichts. Ratlos wurde dann die Lösung des Problems auf den nächsten Tag verschoben. Aus lauter Verzweiflung habe ich dann die Buchse ausgebaut und die Anschlüsse an das Verstärkerkabel direkt angeschlossen und siehe da, ein starkes, praktisch brummfreies Signal! Sofort also auf zum Elektroladen und eine neue Buchse eingebaut. Für mich ging jetzt eine Sonne auf, jawohl, genau so hatte ich mir das ausgemalt mit dem Klang der Gitarre!

Meine Zweiundvierzigmmsattelchinastrat wurde verschenkt und seitdem spiele ich mit Begeisterung auf meiner blauen Breithalstelegitarre von Matthias List. Nachdem der Bau der Gitarre doch recht schnell vonstatten ging, bekam ich Lust auf mehr. Eine Suche nach einem besonderen Stück Musikholz wurde gestartet, aber das ist eine andere Geschichte.

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2 Comments

    • Ich kann mir nicht vorstellen daß ich der einzige sein soll, dem normale Hälse etwas zu schmal sind. Alternativen sind mir im E-Gitarrenbereich keine begegnet, ich habe allerdings eine Lakewood mit einer Sattelbreite von 48mm, ich konnte sie mir komplett selber zusammenstellen. Aber das ist halt eine akustische Stahlsaitengitarre, keine E-Gitarre. Eigentlich erstaunlich, daß es eine 12-saitige Tele überhaupt gibt, wenn auch als Bausatz. Matthias sei dank…

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