MES – Karl Huber

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ES 335 Trans Black

Ich möchte euch meine Kopie einer ES 335 vorstellen. Das Vorbild kam 1958 auf den Markt und war der gelungene Versuch, die Vorteile einer Archtop mit denen einer massiven Konstruktion zu verbinden. Dazu hat Gibson u.A. die Korpusdicke reduziert und einen massiven Sustainblock eingesetzt, um unerwünschte Resonanzschwingungen, sprich Pfeifen, zu vermeiden. Das Design ist eigenständig und gelungen, wer es nicht glaubt, solle zum Vergleich auf einer „echten“ Jazzgitarre jenseits des 12ten Bundes spielen. Ob sie optisch gefällt, ist Geschmackfrage. Die Cutaways, auch „Micky Mouse Ohren“ genannt, sind auf jeden Fall originell.

Tonal dürfte die ES 335 die vielseitigste Gitarren überhaupt sein, von Jazz und Blues über Rock geht alles. Nur im ganz harten Gewerbe fühlt sie sich unwohl, sie ist zu rund, zu gross, Floyd Rose geht nicht, Batteriesätze aktiver EMGs währen auch schlecht zugänglich unterzubringen – beides wären Herausforderung für versierte Bastler.

Bekannte Player sind Chuck Berry, B.B. King, Eric Clapton (zu Cream Zeiten), Alvin Lee (Ten Years After), Gary Moore, Dave Grohl (Foo Fighters), Tom DeLonge (Blink 182), Kuddel (Tote Hosen), Eric Lifeson (Rush), Larry Carlton und viele mehr.

Der Bausatz

Wie immer gibt es auch bei diesem Bausatz einige Abweichungen zum Original. Der Hals ist aus dreiteiligem Ahorn (Original in der Regel einteiliges Mahagoni), der Sustainblock ist aus unbestimmtem, leichtem und sehr weichem Holz (original Ahorn oder Mahagoni), die Inlays sind trapezförmig (üblich waren Dots), und der Neck-Joint ist sehr einfach gehalten, ansonsten passt alles. Die mitgelieferte Hardware ist goldig, anstelle eines Stop Tails ist als Saitenhalter eine eher unübliche und in meinen Augen kitschig geformte Harfe dabei. Ich habe die Hardware lediglich zu Montage- und Testzwecken verwendet.

Meine Variante

Zuerst wurde angeschliffen und mit transparentem Porenfüller geglättet (http://aquacoat.com/products/clear-grain-filler). Von Schleiforgien habe ich wegen des hübschen, aber dünnen Riegelahornfurniers auf der Decke abgesehen. Danach wurde eine Lage Nitro-Schleiflackgrund aufgepinselt, damit das helle Holz rudimentär vor Verschmutzung, Kleber o.Ä. geschützt ist. Wer beizen will, macht das natürlich direkt nach dem ersten schleifen. Jetzt den Hals provisorisch einpassen, Position der Bohrungen bestimmen, so gut wie möglich Bundreinheit und Saitenlage testen – noch könnte der Halswinkel korrigiert werden. Auf den Fotos seht ihr einige meiner einfachen Hilfsmittel. Normale Ständerbohrmaschine geht nicht, der Korpus ist zu groß. Bitte beim Bohren der Löcher für die Brücke aufpassen und den Halswinkel mit einplanen. Die ES ist bauchig, legt man den Korpus wie ich flach auf den Tisch, wird die Brücke später nicht rechtwinklig zu den Saiten stehen. Die M4 Gewindestangen für die Brücke habe ich, wie damals bei Gibson üblich, direkt ins Holz geschraubt. Deshalb war die Korrektur meines Fehlers relativ einfach – Löcher für Brücke zudübeln und im richtigen Winkel, also schräg nach vorne, neu bohren.

Danach weiter grundieren und mit 600er schleifen, bis die Oberfläche glatt ist. Dann Hals einkleben, Übergänge verspachteln, nochmals schleifen und ab in die Garage zum Lackieren. Die Reihenfolge kann man teilweise ändern, z.B. zuerst Hals einkleben, dann grundieren. Für mich war es so am einfachsten.

Lackiert wurde mit Nitro aus der Dose. Funktioniert prima, trocknet schnell, man muss nicht so sehr aufpassen, Staub und kleine Fliegen schaden nicht, der Glanz kommt ohnehin erst hinterher beim Polieren. Die meisten ES sind rot oder sunburst, ich entschied mich für transparentes Schwarz. Die Farbe ist nicht so einfach zu lackieren, man muss sehr gleichmäßig sprühen, sonst wird es fleckig. Der große Korpus braucht viel Lack, in meinem Fall drei 400g Dosen, inkl. Hals und Kopfplatte. Da ich nicht mag, wenn man die Fügestellen der Halsteile sehen kann, habe ich die entsprechenden Stellen „blickdicht“ lackiert. Bindings und deckender bzw. getönter Lack sind eine problematische Kombination, der eine klebt vorher ab, der andere kratzt hinterher. Ich hab mich für beide Varianten entschieden – ich klebe ab und korrigiere hinterher mit der Ziehklinge, wo es nötig ist. Beim Abkleben bitte aufpassen, dass man kein Holz abdeckt, auch kleinste Holzstreifen neben dem Binding sind bei dunklem Lack unschön. Das Abziehen sollte man möglichst früh nach dem Lackieren machen, wenn der Lack trocken, aber noch nicht durchgehärtet ist, später neigt er zum Reißen und Abplatzen. Leider habe ich die F-Löcher mit lackiert. Der Lack hielt dort nicht besonders, es war weder deckend noch gleichmäßig, also runter damit. Was für eine Fummelei! Das Original hat übrigens keine Bindings an dieser Stelle, jetzt weiß ich auch warum.

Elektronik ist bei der ES nicht so einfach, man muss außerhalb löten, dann die gesamte Elektrik durch die F-Löcher bugsieren und hinterher mittels Faden oder spitzen Fingern positionieren. Hier wären die kleinen mitgelieferten Potis von Vorteil gewesen. Die von mir verwendeten japanischen Potis sind jedoch relativ groß, ich hab sie gerade noch durch die F-Löcher bekommen. Abgesehen von den (sehr guten) japanischen Potis habe ich versucht, mich nah am Original zu bewegen. Also „braided wire“ Verdrahtung, dazu eine Switchcraft Buchse und ein ordentlicher, offener Schalter. Leider brach dieser nach dem Einbau in die Gitarre in zwei Teile, ich konnte es mit spitzen Fingern und etwas Loctite im Bauch der ES beheben. Mechaniken sind von Grover, Brücke und Stop Tail von einer LP Studio, die ich im Gegenzug aufgerüstet habe. Nichts Besonderes, aber gut genug. Die Tonabnehmer sind „Tonerider Rocksong“ mit etwas höherem Output als echte PAFs. Die PUs sind günstig, gut verarbeitet und klingen in meinen Ohren sehr gut.

Sound und Bespielbarkeit

Besser als erwartet, die Gitarre ist leicht, sogar leichter als meine deutlich kleinere Gibson ES 339. Und das trotz des schweren Ahornhalses und der Grover-Tunern. Sie ist etwas kopflastig, aber nicht störend. Die Bespielbarkeit ist sehr gut, auch wenn ich das Abrunden der Bundstäbchen etwas übertrieben habe – die hohe E-Saite rutscht bei heftigem Vibrato schon mal vom Griffbrett, wenn man nicht aufpasst. Ansonsten passt alles, es flutscht dank der relativ breiten Bünde sogar richtig gut.

Als Soundprobe habe ich ein Stück zusammengebastelt, und zwar „Nightcrawler“ von „Mr. ES 335“ Larry Carlton, ein Fusion-Stück von seiner ersten LP aus dem Jahr 1978.  Clean in Mittelposition, die Licks in Halsposition, das Solo (ab 2:00) mit Bridge-PU. Amp war ein (gemodelter) Mesa Boogie MKIII. Viel Spass beim Hören, Larry vergib mir!

https://www.dropbox.com/s/tjx87w06pcwzzwv/Nightcrawler.mp3?dl=0

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Bewertung 4.6 Sterne aus 16 Meinungen

6 Comments

  1. Hallo Karl,
    das ist aber vielleicht doch ein wenig tiefgestapelt, wenn Du dieses Schmuckstück als Stangenware bezeichnest.
    Dieses gediegene Teil macht auf mich einen sehr nobelen Eindruck, nicht würdig zum einfach nur mal rumschrubben. Da passt schon eher ein Nadelstreifen-Anzug dazu!
    Ich kann mich noch erinnern, als ich dieses Modell zum ersten Mal bewusst sah: Bei Alvin Lee im Rockpalast 1978. Wenigstens hatte ich das Glück und lebte damals im Westfernseh-empfangsfähigen Teil der DDR. Ich kniete vor Begeisterung vor der schwarz-weiß-Flimmerkiste, nicht nur wegen Alvin Lee- die ganze Band hat mich damals vom Hocker gehaun. Schade, dass dieser Gitarrengott so kläglich von dieser Welt gehen musste.

    • Danke Uwe,
      freut mich, daß sie dir gefällt. Wg. Alvin Lee – ich dachte, du kennst nur Zupfgeigenhansel 😉
      Ja, Alvin Lee und TYA waren unglaublich gut, besonders die frühen Platten wie z.B. Undead.
      Gruß Karl

  2. Gefällt mir gut. Zumal Du dich für ne stop tail variante entschieden hast .
    Ich finde das “ Kleiderbügeltremolo“ auch nicht so schön.
    Das hat so nen Hauch von einem Antiken Gardarobenhaken.
    Der Lack gefällt , die Wahl der Gitarre auch.
    Ich Liebäugel schon länger mit diesem Bausatz und wenn ich dieine so betrachte bekomme ich immer mehr lust dazu.

  3. Ja Servus!!

    wahrscheinlich gehst du davon aus, Hasel (Spatzl darf ich ja nicht mehr sagen), dass ich jetzt „gegen meckere“ aber mit Nichten und Neffen euer Hochwohlverdorben. Was „Krass“ ist muß Krass bleiben 😉 Jetzt aber mal Spaß bei Seife. Karl ?!…geniale Arbeit sehr schöne Ausführung. Es ist kein Fehler zu finden. Auch wenn es nicht meine Gitarrenform ist. Ich erkenne sehr wohl die ganze Arbeit die dahinter steht und bin begeistert!

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